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Kampf der Schreibmaschinen-Digitalisierung

Seit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022 hat ein grosser Wirbel um die künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt. Während die einen den Weltfrieden und das Ende aller Hungersnöte voraussagen, warnen andere vor dem drohenden Weltuntergang durch sich verselbstständigende Computer. Die Zeitungen sind voll von Berichten, welche Aspekte unseres Lebens durch KI künftig ganz anders würden. Auch das Produktmarketing ist bereits auf den Zug aufgesprungen. Egal ob Waschmaschine, Zahnbürste oder Lernprogramm: Bald überall prangt ein Sticker «Jetzt mit KI».

Das Problem dabei: Praktisch niemand weiss wirklich, was mit künstlicher Intelligenz eigentlich gemeint ist. Das liegt nicht etwa daran, dass bisher zu wenige erklärende Zeitungsartikel erschienen sind oder dass die Schule ihrer Aufgabe nicht nachkommt, Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft vorzubereiten. Das Problem liegt tiefer: Die üblichen Definitionen des Begriffs sind so schwammig, dass damit alles und nichts gemeint sein könnte. Meist wird künstliche Intelligenz definiert als die Fähigkeit eines Computers, eine Tätigkeit auszuführen, «die normalerweise einen denkenden Menschen erfordert».

Beim ersten Lesen mag diese Beschreibung plausibel erscheinen. Die Digitaltechnik hat sich aber in den letzten Jahrzehnten so rasant entwickelt, dass vieles, was vor Kurzem noch als KI gegolten hätte, heute vollkommen alltäglich ist. So ist es nicht lange her, dass ein Taschenrechner, eine automatische Rechtschreibekorrektur, ein Routenplaner oder ein Übersetzungsprogramm für Verblüffung sorgten und unter die Definition von KI fielen. Umgekehrt werden bald auch aktuell gehypte Fähigkeiten des Computers so alltäglich, dass niemand mehr behaupten würde, dass es dafür normalerweise einen denkenden Menschen bräuchte.

Auch abgesehen von der alles und nichts umfassenden Definition lohnt es sich meist nicht, auf die Potenziale künstlicher Intelligenz zu schielen. Für den Erfolg spielt es im Alltag selten eine Rolle, mit welcher Technologie die eingesetzten Computer genau arbeiten. Wichtiger wäre es, unabhängig vom aktuellen KI-Hype darauf zu achten, ob die Potenziale der Digitalisierung insgesamt ausgeschöpft werden.

Auch Jahrzehnte nach der Erfindung und Verbreitung des Computers betreiben wir oft noch eine Art «Schreibmaschinen-Digitalisierung»: Wir nutzen Computer weitgehend als bequemere Schreibmaschinen und ignorieren viele Potenziale. Vermutlich kommt Ihnen sofort ein entsprechendes Beispiel aus dem Berufs- oder Privatleben in den Sinn. Ein Paradebeispiel: Jemand erstellt in der Textverarbeitung eine Tabelle und zählt am Schluss die Zahlen «von Hand» mit dem Taschenrechner zusammen.

Statt sich also durch den aktuellen KI-Hype verunsichern zu lassen, sollten wir eher darauf achten, was Digitalisierung für unsere Arbeitsabläufe bedeutet. Dabei geht es nicht nur darum, in bestehenden Prozessen Optimierungspotenzial durch den Einsatz von Computern zu finden. Wir müssen uns grundsätzlicher überlegen, welche Potenziale der Digitalisierung noch brachliegen. Und noch grundsätzlicher: Wir müssen erst prüfen, ob sich aufgrund der Digitalisierung nicht die Umstände so geändert haben, dass eigentlich ein ganz anderer Prozess sinnvoll wäre.

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